Radtour durch den Norden: Wedding & Pankow
Unsere Radtour durch den Norden: Wedding & Pankow
Dieses Mal erkunden wir mit dem Rad eine Ecke, in der sich mal wieder einer der BoBs bestens auskennt. Martin, der in Pankow geboren und aufgewachsen ist, wird uns seinen Heimatbezirk und den angrenzenden Wedding näher bringen.
Von unserem Hauptquartier in der Kulturbrauerei startend geht es zunächst ein Stückchen durch den Prenzlauer Berg, vorbei an der Zionskirche, einem wichtigen Ort der DDR-Opposition, und über den Arkonaplatz. Der Platz wurde Ende des 19. Jahrhundert zusammen mit seinem Spiegelbild auf der anderen Seite der Bernauer Straße dem Vinetaplatz auf Grundlage des Hobrechtplans angelegt. Während dort im Wedding abgerissen, neu gebaut und umgesiedelt wurde, wurde der Arkona-Platz auf der Ostseite aufwändig wiederhergestellt. Zur Eröffnung erschien die DDR-Spitze mit dem Staatsratsvorsitzenden Honecker und im Gegensatz zur sonstigen DDR gab es auf einmal in der Auslage sogar die überaus seltenen Ananas.
Humboldthain
Wir radeln weiter über die Millionenbrücke am Gesundbrunnen vorbei zu unserer ersten richtigen Berg-Etappe. Unter Anfeuerungsrufen von Spaziergängern kämpfen wir uns hoch auf den Humboldthain. Oben angekommen werden wir für unsere Mühen mit einem wunderbaren Ausblick belohnt, im Dunst erkennen wir Potsdamer Platz und Reichstag und in der Ferne sogar den Gasometer in Schöneberg und die weißen Fassaden des Märkischen Viertels. Aber warum befindet sich jetzt hier mitten im ziemlich flachen Berlin so eine imposante Anhöhe? Wie so viele Erhebungen in Berlin ist dies kein natürlicher Berg.
Im Zweiten Weltkrieg wurde hier auf persönlichen Befehl Hitlers einer von drei Hochbunkern mit Flakturm errichtet, um die Berliner Innenstadt vor Luftangriffen zu schützen. Nach Kriegsende wurde der Bunker wegen der naheliegenden Bahngleise nur zum Teil gesprengt und der Rest mit Kriegstrümmern überschüttet. Auf der Aussichtsplattform befindet sich ein “Denkmal für die Deutsche Wiedervereinigung” vom Künstler Arnold Schatz, zu seiner Entstehung 1967 noch eine fromme Hoffnung. An der Nordwand des früheren Bunkers kann man heute klettern und man kann mit dem Verein Berliner Unterwelten bei einer Führung sogar Teile des gesprengten Bunkers besuchen.
Das Pankeufer
Nach der steilen Abfahrt vorbei an den Rodelbahnen für die mutigen und etwas weniger mutigen Kids (Martin verrät uns nicht, zu welchen er gehörte) führt uns die Radtour weiter zum Ufer der Panke. Wir folgen dem drittgrößten Berliner Fluss von hier aus bis nach Pankow, eine tolle Radstrecke ohne Autoverkehr, die zu den 20 grünen Hauptwegen Berlins gehört.
Martin hat als ehemaliges Vorstandsmitglied des Vereins panke e.V., der sich für die Renaturierung des Flusses einsetzt, so viel zu dem Flüsschen zu berichten, dass es hier den Rahmen sprengen würde. An der Wiesenburg, früher Obdachlosenasyl heute Kulturort, erzählt uns Martin vom Gründungsmythos des Pankgrafenordens, der der Legende nach 1381 unter Führung von “Urgraf Udo mit der gespaltenen Klaue” entstand und mit seinem Ritterorden in den folgenden Jahren die Handelsleute Pankows beschützte. Udo erscheint nachdem er in voller Rüstung in den Fluten der Panke zu Tode kam, angeblich alle 50 Jahre wieder, um zu schauen, ob es das Flüsschen noch gibt. Heute lässt er sich allerdings nicht blicken.
Wir fotografieren hier noch fleißig die reichlich vorhandene Streetart, für deren Fans das Pankeufer ein richtiges Mekka ist und radeln dann weiter Richtung Norden.
Uferhallen
Nach einem kurzen Abstecher zum riesigen, kunstvoll verzierten Amtsgericht Wedding, geht es weiter zu den Uferhallen. Hier entstand ab 1873 ein Betriebsbahnhof als die Straßenbahnen noch von Pferden gezogen wurden (Ja, das gab es wirklich!). Nach der Elektrifizierung wurden hier weiter Straßenbahnen, später dann Omnibusse repariert. Seit 2007 hat sich hier ein Kulturstandort entwickelt, der das sehenswerte Areal erhalten will.
Luisenbad
Weiter geht die Radtour an der Panke entlang und wir kommen auch schon zum nächsten Stopp am ehemaligen Luisenbad nahe der Badstraße. Der hier entspringenden Quelle wurde schon bald eine heilende Wirkung nachgesagt, angeblich entdeckt durch König Friedrich I. selbst. Die Quelle bekam den Namen “Gesundbrunnen” und damit das umliegende Viertel seinen Namen. Der kommerzielle Wert der Quelle wurde zuerst vom Arzt und Hofapotheker Heinrich Wilhelm Behm erkannt und ausgenutzt, es entstand ein Brunnenhäuschen, Bade- und Gästehäuser und eine Gastwirtschaft. Laut Behms Werbung schien hier aber auch das reinste Wunderwässerchen zu entspringen, das gegen so unterschiedliche Beschwerden wie Bleichsucht, Melancholie, Dörrsucht, Würmer, fressende salzige Flüsse und vieles mehr helfen sollte und sogar in Flaschen verkauft wurde. Die Badegäste beklagten sich allerdings auch öfters über Ausschlag. Das beliebte Ausflugsziel bekam durch die starke Industrialisierung des Wedding im 19. Jahrhundert endgültig den Todesstoß als die Panke wegen der Abwässer der umliegenden Industriebetriebe den Beinamen “Stinkepanke” bekam. Die ganze Gegend ist immer noch sehr sehenswert und Teile der früheren Vergnügungsstätten sind noch in der heutigen Bibliothek am Luisenbad erhalten.
Wir radeln weiter und schauen bei einem berühmten Sohn des Weddings vorbei. In der Stockholmer Straße ist der bekannte Entertainer Harald Juhnke geboren. Eine Plakette am Haus und ein Gedenkstein an einem Wedding-typisch etwas heruntergekommenen Platz gleich um die Ecke erinnern an ihn. Hier eröffnet uns Andy, dass er vor Berlin on Bike in seiner Karriere als Fernseh-Nebendarsteller auch schon einmal mit Juhnke vor der Kamera stand.
Wir folgen weiter der Panke und kommen zu einem ihrer schönsten Abschnitte, wir radeln auf einem Deich zwischen Panke und einer weiten Senke entlang, die Sonne steht tief und es fühlt sich nach Spätsommer an. Bei der Senke handelt es sich um das sogenannte “Franzosenbecken”, das voll läuft, wenn es an der Panke Hochwasser gibt.
Nasses Dreieck
Wir lassen die Panke jetzt in unserem Rücken und kommen zu einer weiteren Überraschung. Durch eine unauffällige Häuserdurchfahrt an der Brehmstraße gelangen wir auf das “Nasse Dreieck”, eine steppenähnliche Grünfläche, die vor allem bei den umliegenden Hundehaltern beliebt ist. Die Dreiecksform kommt von den angrenzenden Bahnlinien, die zu den ältesten Strecken Berlins gehören, hier verlaufen die Gleise der Stettiner Bahn (vom heutigen Nordbahnhof bis nach Stettin) und der Nordbahn (vom ehemaligen Güterbahnhof Eberswalder Straße / heute Mauerpark bis nach Stralsund). Später lag das Gelände im Grenzstreifen und führt immer noch einen schönen Dornröschenschlaf.
Bürgerpark Pankow
Und es geht weiter durch’s Grüne, wir radeln weiter zum Bürgerpark Pankow, wo wir die stattlichen Ziegenböcke bestaunen und von einem künstlichen Hügel aus die Parklandschaft genießen. Der Bürgerpark wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst vom reichen Verleger Hermann Kilisch von Horn als privater Landsitz erworben und aufwändig zum englischen Landschaftsgarten mit Meierei, Fasanerie und Rosengarten umgestaltet. In seiner Zeit wurde Pankow durch wohlhabende Berliner Bürger, die sich hier Villen als Sommersitze errichten ließen, zur zweitreichsten Gemeinde Berlins und zum beliebten Villenvorort der Reichen und Schönen. Der Park wurde später von der Stadt gekauft, damit der damals – und heute – verbreiteten Grundstücksspekulation entzogen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – und ist immer noch ein beliebter Anziehungspunkt für viele Berliner. Wir machen einen kurzen Erfrischungsstopp im Rosencafé und radeln dann vorbei am Kinderbauernhof Pinkepanke ein Stückchen den Mauerweg entlang zum Sowjetischen Ehrenmal in der Schönholzer Heide.
Sowjetisches Ehrenmal & Schönholzer Heide
Das 1949 fertiggestellte Sowjetische Ehrenmal in der Schönholzer Heide ist nach dem im Tiergarten und im Treptower Park das dritte seiner Art in Berlin. Hier sind 13.200 der in der Endphase des Zweiten Weltkriegs in der Schlacht um Berlin umgekommenen sowjetischen Soldaten bestattet. Ähnlich imposant wie sein bekannteres Pendant im Treptower Park, trauert zentral die “Mutter Heimat” unter einem Obelisken um ihren gefallenen Sohn. Und wie auch im Treptower Park finden sich hier keine Graffiti, die das Bild stören, da sich die Bundesrepublik im Zuge der Einheitsverhandlungen gegenüber Russland zur Erhaltung dieser Kriegsgräber verpflichtet hat.
Die Radtour führt uns weiter durch die Schönholzer Heide, die im 19. Jahrhundert mit dem Vergnügungspark Luna-Park ein beliebtes Ausflugsziel war. Hier stimmt Martin gerne mit seinen Gästen das Lied “Bolle reiste jüngst zu Pfingsten” (nach Pankow war sein Ziel) an. Aber auch hierher folgt uns die Geschichte, im Zweiten Weltkrieg entstand im früheren Luna-Park das zweitgrößte Zwangsarbeiterlager Berlins. Überreste davon sind noch hier zu finden.
Majakowskiring
Wir radeln zu einem weiteren geschichtsträchtigen Stopp und umrunden den idyllisch gelegenen Majakowskiring. Hier schirmte sich die DDR-Elite ab 1949 vom Volk ab, seitdem lebte hier die komplette Staatsspitze bis zum Umzug nach Wandlitz 1960 wenig volksnah hinter einer Mauer. Pankow wurde somit zum Synonym für die DDR-Führung. Plaketten erinnern an die früheren Bewohner der Villen von Grotewohl über Wilhelm Pieck bis zu Johannes R. Becher – Dichter der DDR-Nationalhymne. Die Villa des früheren Vorsitzenden des Zentralkomitees der SED (und damit Staatsspitze) Walter Ulbricht wurde schon zu DDR-Zeiten abgerissen, um die Erinnerung an ihn zu auslöschen. Sascha hat die Gegend bei einem früheren Besuch einmal als überraschend piefig und kleinbürgerlich bezeichnet, da offenbart sich vielleicht der Unterschied zwischen Ost- und West-Sozialisation. Wenn man die Villen mit solchen im Westen der Stadt Dahlem gegenüberstellt, mag das stimmen, im Gegensatz zu dem, was man aus der DDR gewohnt war, wirken die Gebäude trotzdem recht luxuriös.
Schloss Schönhausen & Schlosspark
Letzter Halt für heute ist das Schloss Schönhausen. Friedrich II. schenkte seiner Frau Elisabeth Christine dieses Schloss als Sommerresidenz – möglichst weit von seinem eigenen Refugium in Potsdam entfernt, die dieses, immer wenn Geld da war, um- und ausbauen ließ. Ab 1949 wurde das Schloss Amtssitz des ersten und einzigen Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck, der hier Staatsspitzen der befreundeten Bruderstaaten wie Ho Chi Minh und Nikita Chruschtschow empfing. Bis zum Ende der DDR wurde das Gebäude als Gästehaus der DDR genutzt und beherbergte weitere illustre Staatsgäste wie Indira Ghandi, Fidel Castro und Gorbatschow. Wir empfehlen auf jeden Fall einen Besuch im Inneren des Schlosses, wo das Arbeitszimmer Wilhelm Piecks und vor allem das Bad im schönsten Stil der 50er Jahre einen witzigen Kontrast zum restlichen Interieur bildet.
Mit einer kleinen Runde durch den Schlosspark und vorbei an der Pankower Dorfkirche beschließen wir unsere heutige Tour am S-Bahnhof Pankow. Zum selbst Erradeln unten wie immer eine Route bei Komoot und wenn ihr diese und viel mehr Geschichten einmal selbst von Martin oder einem anderen ortskundigen Guide hören wollt, dann könnt ihr unsere Oasen-Tour buchen und uns fragen, ob es dieses Mal nach Pankow geht oder uns nach einer Privattour fragen.