Modellstadt/Stadtmodelle Berlin
Berlin im Wandel der Jahrhunderte
Man sagt uns Berlinern nach, dass wir manchmal etwas größenwahnsinnig sein, den Maßstab verlieren würden. Zumindest in Sachen Modellbau bleibt die Hauptstadt maßstabsgetreu. Schon immer haben Baumeister, ihre Geldgeber und interessierte Laien Modelle genutzt, um sich eine Vorstellung von ihren Bauten in deren tatsächlicher Umgebung zu machen. Das gilt auch – oder vielleicht gerade – in Zeiten dreidimensionaler Computer-Simulationen. Und auch um ein Gefühl für das Leben vergangener Zeiten zu bekommen, sind große Modelle ein geeignetes Mittel, dass einen intuitiven Zugang erlaubt. Der Mensch denkt und erlebt nun einmal in drei Dimensionen und Modelle erlauben den spontanen Perspektivwechsel. Die kleinen Architekturmodelle hat wahrscheinlich schon Jeder mal gesehen. Aber Stadtplaner und Politiker benötigen Werkzeuge um große Zusammenhänge und Blickachsen zu verstehen. Bis heute ist das ständig aktualisierte Modell zum Planwerk Innenstadt in der Senatsverwaltung ein zentrales Instrument, um die Zukunft Berlins zu planen. Neben diesen zeitgenössischen Modellen wartet die Berliner Museumslandschaft mit einer ganzen Reihe von Darstellungen auf. Teilweise wurden diese Entwürfe nie gebaut – wie der Großteil von Hitlers “Welthauptstadt Germania” – teils beruhen sie auf historischer Spekulation. Wir haben uns die Mühe gemacht, die verschiedenen Orte in Berlin abzuklappern, an denen diese Modelle stehen und wollen Euch – im Modell – durch Berlins Geschichte führen. Infos zu den einzelnen Ausstellungsorten findet Ihr am Fuß des Artikels. Was bislang noch fehlt ist die Miniaturwelt Loxx am Alex, die reichen wir aber nach.
Doppelstadt Berlin-Cölln – ca. 1450
Bis 1709 bestand die Stadt genau genommen aus zwei Städten. Cölln im Süden und Berlin im Norden. Gut zu erkennen ist neben der Stadtmauer auch die Nicolaikirche etwa in der Bildmitte mit einer ringförmig umlaufenden Gasse. Direkt unterhalb auf der heutigen Spree- bzw. Museuminsel lässt sich die erste Residenz ausmachen, die ca. 1448 nach einem Streit der Einwohner mit dem Landesherren der Hohenzollern fertig gestellt wurde. Als sichtbares Zeichen der “Unterwerfung” trug seit diesem Zeitpunkt der Berliner Bär für Jahrhunderte ein Halsband mit dem – später preußischen – Adler. Schräg rechts von der Nicolaikirche überquert der Mühlendamm die Spree, an dem durchfahrende Händler ihre Ware zum Verkauf anbieten mussten – zu Preisen, die der Magistrat festgelegt hat.
Der Verlauf der Gewässer ist wie manch anderes Detail mehr oder weniger geraten – streng wissenschaftlich geraten, natürlich. Im Wesentlichen beruft sich dieses Modell neben archäologischen Funden (Stadtmauer, Kirchen, Klöster, Rathaus) vor allem auf einen 200 Jahre später erstellten Stadtplan. Erstellt wurde dieser erste zuverlässige Plan Berlins vom einem Mann namens Johann Gregor Memhardt, der unter dem Eindruck des 30jährigen Krieges beauftragt wurde eine Festungsanlage im niederländischen Stil um die Residenz zu errichten.
Die Festungsstadt Berlin um 1680
Militärisch sinnvoll war diese Befestigung nie, so imposant sie auch auch sein mag. Die für damalige Zeit durchaus typische Bauweise nach niederländischem Vorbild schützte zwar wirkungsvoll gegen eine direkte Erstürmung nicht aber gegen ständig verbesserte Artillerie. Bei einem Angriff hätten sich gegnerische Armeen entspannt auf den Hügeln vor der Stadt aufbauen können. Die Verteidiger hätten auf große Entfernungen zielgenau die Stellungen des Gegners treffen müssen, während der Angreifer Brandsätze lediglich irgendwie über die Stadtmauern hätte feuern müssen. Hinzu kommt, dass sich zum Zeitpunkt der Fertigstellung die neu erbaute Friedrichstadt außerhalb der Festung befand.
Was aber noch viel erstaunlicher ist, wie schnell und vollständig diese Festung wieder aus dem Stadtbild verschwunden ist. Schon 100 Jahre später ist außer den Wassergräben nicht mehr viel übrig. Letztere haben die praktisch veranlagten Berliner noch Jahrzehnte als Kloake genutzt, bevor sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts langsam so etwas wie Hygienestandards entwickelten. Die Spuren dieses beeindruckenden Bauwerks im heutigen Stadtbild muss man tatsächlich kennen, um sie zu entdecken und so verwundert es nicht, dass selbst viele Berliner von der Festung nichts wissen. Ein paar Hinweise gibt es jedoch. Wer je mit der Stadt-Bahn zwischen Alexanderplatz und Hauptbahnhof unterwegs war, hat sich bestimmt schon gefragt, wieso die Gleise ständig leichte Kurven fahren. Man hat die Bahn schlicht entlang des ehemaligen Festungsgraben errichtet, Grundstücke waren knapp und so konnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. 1. die lästig riechenden Kanäle zuschütten und 2. günstig Bauland für die Bahn schaffen. Da Land in Berlin knapp war, hat man die Bahn auf ein Aquädukt gesetzt und in deren Bögen Lagerräume etc. eingerichtet. Heute werden in der Innenstadt viele dieser S-Bahnbögen als Gastronomie oder Shops genutzt.
Berlin um 1750 – die Zoll- und Akzisemauer
Die nächste Stadtmauer hatte keine militärische Funktion im eigentlichen Sinne mehr, es sei denn man wertet die Fluchterschwerung preußischer Soldaten als Solche. Worum es eigentlich ging, waren Waren. Alle Güter, die in die Stadt eingeführt werden sollten, wurden gewogen und versteuert. Das Ziel hierbei war nicht nur die Säckel von Stadt, Staat und Krone zu füllen, sondern das heimische Handwerk vor zu billigen Importen zu schützen.
In diesem Modell aus dem Märkischen Museum ist wirklich gut nachzuvollziehen wie klein einerseits Berlin damals war, aber auch wie schnell es gewachsen ist. Die gleichmäßig rechtwinklig angeordneten und dicht besiedelten Straßen der geplanten Stadterweiterungen kontrastieren mit großen landwirtschaftlichen Flächen innerhalb des Stadtgebiets. Etwa auf der Höhe der heutigen Fischerinsel bestimmten Felder und Exerzierplätze das Bild.
Berlin um 1900 in der Humboldtbox
Ich persönlich gehöre zu den standhaften Gegnern des Schloss-Neubaus, auch wenn ich mir sicher bin, irgendwann meinen Frieden mit diesem Bauwerk schließen zu werden. Deswegen betrübt es mich ein wenig, zugeben zu müssen; dass Stadtmodell von Berlin um 1900 in der Humboldtbox ist mit Abstand das detaillierteste und schönste der Modelle, die ich in Augenschein genommen habe – ohne Wenn und Aber.
In liebevoller Kleinarbeit ist hier die gründerzeitliche Metropole in all ihrer Pracht wieder auferstanden. Handcoloriert und detailverliebt gibt das Modell nicht nur einen Eindruck von früheren räumlichen Zusammenhängen, sondern führt auch schmerzhaft vor Augen, wie viel denn doch in Berlin durch Krieg und hyperaktive Stadtentwickler verloren gegangen ist.
Für Stadtführer besonders interessant ist es auch die alten Blickachsen nachzuvollziehen.
Gegenwart und Zukunft
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zeigt an Ihrem Standort am Köllnischen Markt, direkt gegenüber des Märkischen Museums ebenfalls einige Modelle. Im Unterschied zu den bisher vorgestellten Werken sind diese jedoch mehr als eine Spielerei für Geschichtsinteressierte. Sie sind vielmehr aktuelle Werkzeuge für Verkehrs- und Stadtplaner, Politiker und Lehrende. Die ständige Ausstellung “Stadtentwicklung – Pläne, Modelle, Projekte” ist kostenlos und für Jedermann zugänglich.
Hier lassen sich besonders anschaulich die großen bzw. groben Zusammenhänge im Städtebau erfassen und erklären. Seit 1991 wird das Modell kontinuierlich ergänzt und den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Nicht ganz so übersichtlich, dafür viel detailreicher ist das Modell im Maßstab 1:500:
Besonders interessant: dieses ständig erweiterte und ergänzte Werk zeigt nicht nur den IST-Zustand sondern farblich abgesetzt auch den aktuellen Planungsstand. Die Hochhäuser, die auf dieser Ansicht den Blick auf unseren geliebten Fernsehturm verstellen entsprechen dem Masterplan des Jahres 1993. Erstellt wurde dieser Plan von dem Berliner Architekten Hans Kohlhoff, dessen bekanntestes Gebäude in der Stadt der Kohlhoff-Tower am Potsdamer Platz sein dürfte, ein klassischer Wolkenkratzer, der mich persönlich immer an Gotham City denken lässt. Kurz vor Ausbruch der Finanzkrise 2008 standen die ersten Investoren bereit, bloß um die Pläne ganz schnell wieder zu beerdigen. Mittlerweile rückt der erste Spatenstich näher und Frank Gehry wird wohl ein weiteres Mal in Berlin bauen.
Unfassbar wie viel Erde und Beton in Berlin bewegt wurde und wird. Alles farbig abgesetzte ist entweder seit 1990 neu erbaut worden oder wird noch gebaut. Letzteres wie in Berlin so oft natürlich ohne Gewähr. Allerdings mahlen die politischen Mühlen in Berlin zwar langsam, letztlich aber hartnäckig, so dass wir wirklich von einer weitestgehenden Umsetzung der Pläne ausgehen können. Einigen der Hochhäuser am Alex stehen derzeit allerdings noch das “Haus des Reisens” und das “Haus der Elektroindustrie” aus DDR-Zeiten, die ursprünglich abgerissen werden sollten, im Weg. Derzeit ist in der Diskussion beide Objekte als typisches Beispiel der “DDR-Moderne” unter Denkmalschutz zu stellen.
Ost-Berlin im Modell
Ein besonderer Leckerbissen findet sich ebenfalls in der Senatsverwaltung, das DDR-Planungsmodell “Zentrumsbereich Ost-Berlin im Maßstab 1:500. Auffällig ist, wie bunt dieses Modell im Vergleich zu seinen Kollegen ist.
Nicht nur das Rathaus leuchtet in seinem typischen Rot, sondern auch das Dach der Marienkirche ist farblich gestaltet. Rechts im Vordergrund sind die Hochhäuser an der Leipziger Straße zu sehen, die sogenannten Springerdecker. Eine mögliche Erklärung für die im Vergleich zu den anderen Modellen “verspielte” Aufmachung könnte sein, dass es bis zur Wende als Attraktion im Fernsehturm ausgestellt wurde, damals noch beleuchtet und durch Audiovorträge ergänzt – ein paar zusätzliche Bäume hat man bei der Gelegenheit auch in die Straßen gepappt, egal ob es sie nun gab oder nicht.
Aktuell sucht man nach dem Kopf des verschollenen Lenin, nachdem die ganze monumentale Statue zu Wendezeiten zersägt und zerschweißt wurde und man die Einzelteile im Wald verbuddelt hat. Der Anblick für die Bewohner der umliegenden Neubauten muss ziemlich beeindruckend wenn nicht gar bedrückend gewesen sein, wenn einem im 4. Stock der Revolutionsführer aus Russland den Rücken zukehrte. Dass die Balkone des S-Blocks auch schon zu DDR-Zeiten bunt waren, fand ich ehrlich gesagt etwas überraschend. Ich hatte vermutet, es sei ein hilfloser Nachwende-Versuch die Häuer nicht ganz so trist aussehen zu lassen. Auf diesen ebenso simplen wie wirkungslosen Trick ist man offensichtlich aber auch in Ost-Berlin gekommen.
Germania – die Welthauptstadt
Es ist schon seltsam wie selbstverständlich viele von uns den Begriff “Germania” verwenden, als sei dies ein etablierter Markenname. Tatsächlich gefallen ist der Begriff zu Lebzeiten Hitlers nur einmal und damals von einem fleißigen Stenographen mitgeschrieben. Das ist nur eine von vielen spannenden Informationen, die man der Ausstellung “Mythos Germania – Vision und Verbrechen” der Berliner Unterwelten e.V. entnehmen kann. Gut gegliedert und multimedial aufbereitet werden hier die größenwahnsinnigen Pläne des Diktators und seines Baumeisters Speer für den Umbau der Reichshauptstadt präsentiert. Vertreibung oder die Rolle der Architektur in faschistischen Bewegungen allgemein sind ebenso Thema wie die eigentlichen Baupläne.
Das präsentierte Modell besteht eigentlich aus zwei Modellen und hat mit dem ursprünglichen für Hitler gebauten bis auf die grobe Struktur und einzelne Gebäude nicht viel gemein. Vielmehr stammt ein Teil aus dem Film “Der Untergang” und ein weiterer aus der Mini-Serie “Speer und Er“. Wenn man sich Filmmaterial der damaligen Zeit ansieht, war das Original wohl deutlich detailreicher. Das tut dem starken Eindruck den Modell und Ausstellung hinterlassen aber keineswegs Abbruch. Unbedingt sehenswert für Berlin-Freunde und Architektur-Interessierte.
Bonus – Die ungebaute Stadt
Vor einigen Jahren gab es im Café Moskau eine Ausstellung mit dem Titel “Die ungebaute Stadt”, hauptsächlich mit Modellen und Plänen aus der Nachkriegszeit, z. B. von Hans Scharoun dem späteren Architekten der Berliner Philharmonie und der posthum fertiggestellten Staatsbibliothek direkt gegenüber. Direkt nach dem Krieg war Scharoun für kurze Zeit Baustadtrat und entwickelte den sogenannten Kollektivplan für den Wiederaufbau Berlins. Andere Entwürfe stammen aus dem gesamtstädtischen Wettbewerb “Hauptstadt Berlin”, bei dem 1957/58 internationale Architekten sich ebenfalls dem großen Ganzen widmeten, z. B. auch Le Corbusier:
Der Bahnhof Friedrichstraße wird zum Hauptbahnhof ausgebaut, am Hackeschen Markt gibt’s es einen riesigen Kreisverkehr, die Linden sind Fußgängerzone und dazu ein paar Skyscraper-Kolosse. Ende der 50er Jahre war der Nachkriegs-Wiederaufbau in Berlin noch ziemlich am Anfang und es gab viel Platz für große Ideen. Dagegen nimmt sich der Masterplan Innenstadt geradezu bescheiden aus. Nicht minder optimistisch war das britische Architekten-Ehepaar Alison und Peter Smithson:
Auf den ersten Blick könnten das auch Zellkulturen oder etwas Ähnliches sein. Die auffällig verzweigten Strukturen, die das Modell dominieren, sind erhöhte Plattformen, die als Verkehrsflächen für Fußgänger und Radfahrer dienen ebenso wie als öffentliche Plätze. Die Grundidee war die einer sich permanent neu formierenden Stadt, die darüber hinaus auf mehreren Ebenen ineinander greift. Sorry, aber besser bekomme ich es nicht mehr zusammen. Kennt Ihr noch mehr Modelle, oder hab ich etwas falsch wieder gegeben? Kommentieren könnt Ihr unten. Ride Safe ! Sascha Bonusbild Little Planet Berlin:
Infos & Adressen
Märkisches Museum Am Köllnischen Park 5, 10179 Berlin (Google Maps ) Di – So, 10 – 18 Uhr Eintritt 5 €, ermäßigt 3, bis 18 Jahre frei. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin (Google Maps ) Mo – Sa, 10 – 18 Uhr Eintritt frei Humboldt Box Schlossplatz 1, 10178 Berlin (Google Maps ) Mo – So, 10 – 18 Uhr, Eintritt 3 € Berliner Unterwelten e.V. “Germania – Vision und Verbrechen Brunnenstraße 105, 13355 Berlin (Ticket-Pavillon vor dem U-Bahn-Eingang Gesundbrunnen, der eigentliche Eingang zur Ausstellung ist im U-Bahnhof, Google Maps) Geöffnet jeweils Ostern bis Ende November; Do – So, 11 – 18 Uhr Sonderöffnungszeiten 26. – 31. Dezember 2014 und 2. – 4.Januar 2015 jeweils 11-18 Uhr Eintritt 5 €, ermäßigt 4 € (ab Ostern 2015: 6 €, ermäßigt 5 €) Kombiticket 3€ (in Verbindung mit einer Führung Tour 1,2,3 oder M)