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Radtour durch Berlin Weißensee

Andi auf dem ehemaligen Stasi-Wachturm bei der Kreativstadt Weißensee

Radtour durch Weißensee – Von der Film- zur Kreativstadt

Heute geht es für uns mit Wollo als Guide durch Berlins bis zur Verwaltungsreform bevölkerungsmäßig kleinstem Bezirk – durch Weißensee.

Filmstadt Weißensee

Wir treffen uns vor der Brotfabrik am Caligariplatz. Warum Caligariplatz? Berlin Weißensee war ein Bezirk, wo vieles entstand, für das an anderer Stelle kein Platz war. So wurde Weißensee zur Wiege des Stummfilms. In der Liebermannstraße wurden ab 1913 vor den Toren der Stadt die ersten Filmstudios errichtet und es entstanden Stummfilme wie “Der Hund von Baskerville” und eben “Das Cabinett des Dr. Caligari”. Alles, was damals Rang und Namen hatte, drehte hier so auch Marlene Dietrich und Fritz Lang. Die sich um die Ecke befindende Rennbahn eignete sich ideal für Außenaufnahmen für Monumentalfilme. Das Ende kommt mit der Ankunft des Tonfilms, dafür waren die Studios nicht ausgestattet. Das Filmbusiness zog nach Babelsberg weiter. Heute erinnern nur noch die ehemaligen Stummfilm-Kinos Toni und das Delphi, das heute nur noch für Veranstaltungen genutzt wird, an die glorreiche Vergangenheit. Die Brotfabrik, in der tatsächlich einmal Brote hergestellt wurden, wurde erst in den 1980er Jahren zum Kulturort als die Kunsthochschule Weißensee hier einen Jugendclub eröffnete. Weißensee kam fast 100 Jahre später erneut zu Film- oder besser Fernsehruhm, als die nach dem Bezirk benannte Fernseh-Serie “Weissensee” über das Leben in der DDR herauskam (mehr Serien aus und über Berlin findet ihr hier).

Kino und Kulturzentrum Brotfabrik am Caligariplatz

Kino und Kulturzentrum Brotfabrik am Caligariplatz

Wir treffen uns vor der Brotfabrik am Caligariplatz. Warum Caligariplatz? Berlin Weißensee war ein Bezirk, wo vieles entstand, für das an anderer Stelle kein Platz war. So wurde Weißensee zur Wiege des Stummfilms. In der Liebermannstraße wurden ab 1913 vor den Toren der Stadt die ersten Filmstudios errichtet und es entstanden Stummfilme wie “Der Hund von Baskerville” und eben “Das Cabinett des Dr. Caligari”. Alles, was damals Rang und Namen hatte, drehte hier so auch Marlene Dietrich und Fritz Lang. Die sich um die Ecke befindende Rennbahn eignete sich ideal für Außenaufnahmen für Monumentalfilme. Das Ende kommt mit der Ankunft des Tonfilms, dafür waren die Studios nicht ausgestattet. Das Filmbusiness zog nach Babelsberg weiter. Heute erinnern nur noch die ehemaligen Stummfilm-Kinos Toni und das Delphi, das heute nur noch für Veranstaltungen genutzt wird, an die glorreiche Vergangenheit. Die Brotfabrik, in der tatsächlich einmal Brote hergestellt wurden, wurde erst in den 1980er Jahren zum Kulturort als die Kunsthochschule Weißensee hier einen Jugendclub eröffnete. Weißensee kam fast 100 Jahre später erneut zu Film- oder besser Fernsehruhm, als die nach dem Bezirk benannte Fernseh-Serie “Weissensee” über das Leben in der DDR herauskam (mehr Serien aus und über Berlin findet ihr hier).

Wasserturm Heinersdorf

Man sieht ihn schon von Weitem, den Turm, der über Heinersdorf ragt. Auch von Nahem ist das 46 Meter hohe Gebäude eindrucksvoll. Wollo bindet sein Publikum gerne ein, darum dürfen wir erstmal rätseln. Was ist das für ein Turm? Ein Speicher, ein Aussichtsturm, alles nicht so überzeugend. Dann haben wir es endlich – es handelt sich um einen Rathausturm. Nur dass dieser hier niemals seinen Zweck erfüllte und eine doppelte Funktion haben sollte. Wie wir schon bei unserer Lichtenberg-Tour festgestellt haben, hatten etliche der Gemeinden um Berlin herum Anfang des 20. Jahrhunderts den Ehrgeiz selbst das Stadtrecht zu erlangen. Die Gemeinde Heinersdorf plante also ein repräsentatives Rathaus, dessen Turm gleichzeitig als Wasserturm dienen sollte. Von den ehrgeizigen Plänen blieb jedoch nur der Turm übrig, als Heinersdorf 1920 nach Groß-Berlin eingemeindet wurde. Später wurde er als Flakturm genutzt und nach dem Krieg von der sowjetischen Armee um den Flugverkehr nach Tegel zu überwachen. Mittlerweile steht der Turm schon viele Jahre leer, auch wenn hier angeblich Wohnungen geplant sind.

Der weithin sichtbare Wasserturm Heinersdorf sieht schon arg mitgenommen, nicht nur die Fassade bröckelt, auch das Innere ist seit einem Brand 2014 zerstört. Die eckige Form des Turms ist für einen Wasserturm ziemlich ungewöhnlich.

Der weithin sichtbare Wasserturm Heinersdorf sieht schon arg mitgenommen, nicht nur die Fassade bröckelt, auch das Innere ist seit einem Brand 2014 zerstört. Die eckige Form des Turms ist für einen Wasserturm ziemlich ungewöhnlich.

Rennbahn Weißensee

An die Dimensionen der alten Rennbahn erinnert nur noch die Ringallee, die einmal fast im Kreis um die Anlage herum führt. 1878 eröffnete hier die erste Trabrennbahn der Stadt, damals natürlich noch vor deren Toren. Und die Anlage wurde sofort ein absoluter “Renner” bei den Berlinern. Schon zur Eröffnung kamen 12.000 Besucher, hier herrschte Volksfeststimmung, besonders beliebt waren die Droschkenrennen zum Abschluss der Renntage. Wegen der Besuchermassen bekam die Rennbahn sogar ihre eigene Straßenbahnhaltestelle in der Gustav-Adolph-Straße. Der Zauber währte leider nicht allzu lange, als die Trabrennbahn in Marienfelde eröffnete, war hier 1912 erstmal Schluss. Nach den verschiedensten Nutzungen wurde in den 50ern dann wieder eine Rennbahn errichtet, dieses mal allerdings für Radrennen. Ab den 80ern erreichte das Gelände dann noch einmal früheren Ruhm, als hier Rockkonzerte veranstaltet wurden. Die DDR sah sich in den späten 80ern zu Zugeständnissen gezwungen und so traten hier solche Größen wie Joe Cocker oder James Brown auf. Mit dem Auftritt von Bruce Springsteen am 19.07.1988 wurde hier Rockgeschichte geschrieben, zu dem Konzert kamen 160.000 Besucher, manche Quellen sprechen sogar von 300.000 – das größte Konzert in der DDR und der größte Auftritt in Springsteens Karriere. Manche schreiben dem Konzert sogar einen Einfluss auf den Mauerfall zu. Von uns war bei dem historischen Ereignis leider keiner dabei, aber ich weiß zumindest von einem unserer Guides, der damals vor Ort war.

Von der alten Herrlichkeit ist leider nicht mehr viel zu sehen, aber Sport getrieben wird auf dem etwas runter gerockten Areal immer noch.

An der Rennbahn Weißensee gab es wenig zu sehen, darum hier eine historische Erinnerung an das legendäre Bruce-Springsteen-Konzert. (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1988-0719-38 / Uhlemann, Thomas / CC-BY-SA 3.0)

An der Rennbahn Weißensee gab es wenig zu sehen, darum hier eine historische Erinnerung an das legendäre Bruce-Springsteen-Konzert. (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1988-0719-38 / Uhlemann, Thomas / CC-BY-SA 3.0)

Dafür haben wir gleich um die Ecke diese schönen historischen Kutschen bei einem Autohändler entdeckt, die man als stilechtes Hochzeitsgefährt mieten kann.

Dafür haben wir gleich um die Ecke diese schönen historischen Kutschen bei einem Autohändler entdeckt, die man als stilechtes Hochzeitsgefährt mieten kann.

Motorwerk

Unser nächster Halt liegt nicht weit entfernt, das sogenannte Motorwerk Berlin. In dem schönen, denkmalgeschützten Industriegelände an der Industriebahn wurden ab 1921 Elektromotoren u. a. für Zeppelin-Luftschiffe gebaut. Wollo erinnert sich allerdings an eine andere Begebenheit, die sich hier zugetragen hat. In der zum Veranstaltungsort umfunktionierten Halle fand nämlich 1991 die erste Mayday Deutschlands statt. Wollo und Freunde hatten mehr Karten erstanden, als sie brauchten, in der Hoffnung diese mit Gewinn vor der Halle weiterzuverkaufen. Leider hatten auch noch einige andere die Idee und so wurde leider nichts draus. Die Party war hoffentlich trotzdem gut. Heute wird die Halle als Event-Location genutzt und die umliegenden Höfe als Ateliers und Co-Working-Spaces genutzt. Wir machen noch ein Gruppenbild und weiter geht’s.

Motorwerk Weißensee

Dieses Relief an der Fassade des Motorwerks soll den Maler Adolph von Menzel darstellen, der als Maler Preußens bekannt wurde.

Dieses Relief an der Fassade des Motorwerks soll den Maler Adolph von Menzel darstellen, der als Maler Preußens bekannt wurde.

Berlin on Bike Team am Motorwerk

Kreativstadt Weißensee

Wir radeln über den Hof des Bezirksamt Weißensees und finden uns in einem Hof wieder, der einige besondere Schmankerl bereit hält. Hier sieht es etwas verwildert aus und drum herum schlummern noch einige verfallene Industriegebäude vor sich hin, so sah Berlin mal an vielen Orten aus. Das Areal wurde ursprünglich 1939 für die Raspe-Werke errichtet, die zur Rüstungsproduktion gehörten. Heute befinden sich in den erhaltenen Gebäuden Ateliers von 350 Künstlern aus aller Welt, das ganze nennt sich Kreativstadt Weißensee. Viel weiter kommt Wollo mit seinen Erklärungen nicht, als wir in ein Gespräch verwickelt werden, von einem Geschäftsmann, der sich im Hof für ein Meeting niedergelassen hat. Er erzählt uns, dass hier im Hof im Frühjahr ein Biergarten eröffnen soll und bietet uns die Zusammenarbeit an. Ein Päuschen bei einer Radtour hier in diesem charmanten Industrieambiente kann ich mir gut vorstellen. Er berichtet noch, dass sich in dem angrenzenden Flachbau einmal ein Waffendepot befunden hat. 

Industriebrache am Hof der Kreativstadt Weißensee Räder im Hof der Kreativstadt Weißensee Industriehallen Kreativstadt Weißensee

Im Hof der Kreativstadt Weißensee tun sich viele tolle Perspektiven auf.

Im Hof der Kreativstadt Weißensee tun sich viele tolle Perspektiven auf.

Wir bewegen uns weiter auf das überwucherte Gelände und als wir bei einer Ruine um die Ecke biegen, präsentiert uns Wollo seinen spektakulären Fund – ein echter Stasi-Wachturm. Unsere Verwunderung diesen kilometerweit von der Mauer entfernt zu finden, wäre sicher größer, hätten wir nicht von dem Waffendepot gehört. Hier befand sich einmal die Zentrale des Personenschutzes der Staatssicherheit mit 3800 Mitarbeitern, die die SED-Spitze und Staatsgäste bewachten, und ihr dazugehöriges Waffenarsenal, das natürlich bewacht werden musste. Der Turm ist nicht saniert, aber man kann trotzdem raufklettern.

Treppe Stasi-Wachturm Weißensee

Etwas eng der Aufstieg aber machbar.

Andi auf dem erhaltenen Stasi-Wachturm an der Kreativstadt Weißensee

Andi auf dem erhaltenen Stasi-Wachturm an der Kreativstadt Weißensee

Erst Kugellagerfabrik, dann Verwaltungsgebäude des VEB Stern Radio, wo die bekannten Radios und später Fernseher produziert wurden.

Erst Kugellagerfabrik, dann Verwaltungsgebäude des VEB Stern Radio, wo die bekannten Radios und später Fernseher produziert wurden.

Die Rückseite des Geländes sieht weniger schick aus.

Auf der Rückseite des Geländes sieht es weniger schick aus.

Wir halten kurz am jüdischen Friedhof der Gemeinde Adass Jisroel und machen einen kurzen Foto-Stopp an den Häusern der Wohnanlage in der Trierer Straße, die von Bruno Taut in knalligem Blau, Rot und Gelb gestaltet wurden. Bruno Taut war einer der Vertreter des Neuen Bauens, eine moderne Architekturbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts, die auf sachliche Schlichtheit, Rationalisierung und Typisierung setzte und einem sozialen Gedanken beim Bauen unter den Prämissen mehr Licht, Luft und Sonne folgte. Bruno Tauts bekannteste Projekte in Berlin sind die Hufeisensiedlung in Britz und Onkel Toms Hütte in Zehlendorf. Gleich um die Ecke befindet sich noch eine weitere Anlage von ihm in der Buschallee.

Tautsiedlung Trierer Straße Weißensee

Das Gelb, Rot, Blau der Wohnanlage in der Trierer Straße ist von einem Entwurf des Malers Schmidt-Rotluff inspiriert.

Auf dem Weg zum Weißen See kommen wir beim historischen Zentrum Weißensees vorbei. Der Weißenseer Dorfkirche mit Ursprüngen im 13. Jahrhundert an der Berliner Allee. In der Villa gleich gegenüber wohnten von 1949 bis 1953 Bertolt Brecht und seine Frau Helene Weigel. Das Haus ist leider nicht im besten Zustand und insgesamt ist die Ecke durch die große Straße so ungemütlich, dass es für uns schnell weitergeht.

Das Zentrum Weißensees als es noch Dorf war - die alte Dorfkirche mit Ursprüngen im 13. Jahrhundert.

Das Zentrum Weißensees als es noch Dorf war – die alte Dorfkirche mit Ursprüngen im 13. Jahrhundert.

Weißer See

Gleich um die Ecke befindet sich dafür der Spaziergänger-Hotspot des Bezirks der Weiße See und hier ist wesentlich mehr los als am alten Ortskern. Bevor der Bezirk Anfang des 20. Jahrhunderts um den Weißen See das Zepter übernahm, gab es hier ein Rittergut ab 1859 auch mit einem schlossähnlichen Gutshaus, das nur wenig später zu einem Ausflugslokal mit Vergnügungspark umgenutzt wurde. Dazu gehörten eine Seeterrasse, Karussells, eine Rutschbahn und vieles mehr. Wie beliebt solche Ausflugsorte vor den Toren der Stadt bei den Berlinern waren, haben wir auch schon an anderer Stelle erwähnt. Markante Gebäude am See sind das Café Milchhäuschen, hier wurden ab 1913 Milchprodukte aus dem zum nahe gelegenen Säuglings- und Kinderkrankenhaus gehörenden Kuhstall verkauft, und natürlich das seit 1912 bestehende Strandbad Weißensee. Wenn man auf der Aussichtsplattform den Blick über den See schweifen lässt, kann man an den relativ steilen Ufern leider erkennen, dass der See in den vergangenen Jahren einiges an Wasser verloren hat. Trotzdem ein sehr schöner Ort in der Stadt, wo wir sicher noch länger herumschlendern könnten. Wir haben aber noch ein bisschen was vor, darum geht es erstmal weiter.

Blick über den Weißensee

Strandbad Weißensee

Bis das Strandbad wieder öffnet, müssen wir noch ein bisschen warten