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Ja, wo laufen sie denn? Renntag in Hoppegarten

a group of people riding on the back of a horse

Zwischen Volksfest und Tradition

Nachdem ich im vergangenen Jahr schon beim Polo war, stand in diesem Frühling ein weiteres “erstes Mal” auf dem Programm: ein Besuch auf der Galopprennbahn in Hoppegarten. Sowohl das Reiterstadion am Olympiastadion als auch die Rennbahn haben schon bessere Tage gesehen, speziell den Nebengebäuden ist ihr Alter durchaus deutlich anzusehen. Verfall ist in dem Zusammenhang zwar sicher ein zu starkes Wort “charmant gealtert” trifft es aber auch nicht ganz. Die Farbe blättert, wo sie nicht einfach nur vergilbt ist, in den umliegenden Ställen sind teilweise die Fenster geborsten – aber immerhin die Toiletten sind frisch renoviert und sauber. Kurz, man sieht, dass hier mit relativ begrenzten Mitteln ein gigantisches Projekt erst so nach und nach wieder auf Vordermann gebracht wird, dafür empfangen uns schon am Eingang die Klänge einer Ragtime-Band, natürlich stilecht mit Strohhüten und Hosenträgern.

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Die Tribüne auf der Pferderennbahn Hoppegarten.

Im Gegensatz zum Polo wird hier Eintritt gezahlt, das Ganze hat aber trotzdem einen proletarischeren Charakter als das doch ziemliche elitäre Getue am Olympiastadion. Während beim Polo unzählige Barbourjacken an den ausgestellten Luxuskarossen entlangdefilieren, ist das Publikum hier wesentlich gemischter. Natürlich gibt es den ein oder anderen lustigen Hut und Einige hatten sich extra fein gemacht. Allerdings schwingt bei Vielen dabei ein guter Schuss Ironie mit, das Ganze ist eher ein Happening, zu dem man sich eben mal in Schale schmeißen konnte. Etliche der so zurecht gemachten, lassen sich in die Schublade mit dem Label Neuberliner Hipster einsortieren. Der Großteil der Leute waren jedoch ganz normal, Ossis, Wessis, Familien, Pärchen, Alte und Junge; und es wurde viel und ausgiebig berlinert, ob beim Ausschank, am Turf oder am Wettschalter.

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Ein paar extravagante Hüte gabs dann doch zu sehen.

Wettfieber

Damit sind wir beim wahrscheinlich wichtigsten Unterschied: dem Wetten. Wie bei eigentlich allen Sportarten sind auch Pferderennen nur dann spannend wenn man einen persönlichen Favoriten hat. Es mag die reine Seele geben, die beim Fußball einfach nur möchte, dass der Bessere gewinnt, aber das sind echte Ausnahmen und wirkliche Leidenschaft, die ja immer etwas mit Leiden zu tun hat, kommt dabei nicht auf. Die entsteht dann, wenn etwas auf dem Spiel steht; die Liebe zum Verein – oder eben der Inhalt der eigenen Brieftasche. Bevor es auf die Rennbahn geht, werden Pferde und Jockeys im Führring dem Publikum vorgeführt damit jeder Wettwillige sich sein eigenes Bild von der Verfassung des Teams machen kann. Das Programmheft gibt einige weitere Hinweise, wie die Pferde in der Vergangenheit gelaufen sind bzw. wie “die Experten” die Erfolgsaussichten einschätzen. Als Laie bleiben einem letztlich nur Kriterien wie “Name” und “Outfit”; und eventuell die kurz vor Rennbeginn veröffentlichten Quoten. Klar, dass das Pferd “honeycakehorse” für mich unwiderstehlich ist, zumal der Reiter in einem pink-grün gepunktetem Jersey antritt. Die komplizierteren – aber auch wesentlich gewinnträchtigeren – Kombiwetten, überlasse ich erst einmal den Profis und setze zaghaft einen einzigen Euro auf Platz, spekuliere also darauf, dass mein Pferd als eines der ersten Drei über die Ziellinie geht. Und, oh Wunder, ich gewinne! Obwohl mir schon vorher klar war, dass ich wahrscheinlich auch in Zukunft noch arbeiten muss, um meine Miete zu bezahlen, bin ich doch ein klitzekleines bisschen enttäuscht, dass sich mein Einsatz nicht einmal verdoppelt. Gerade einmal 1,60 € erhalte ich zurück.

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Das Feld liegt dicht bei einander.

Etwas mutiger geworden – auch weil ich mir mittlerweile einbilde die Totoscheine tatsächlich zu verstehen – gehe ich in den folgenden Rennen etwas methodischer vor. Der Strategie, lediglich ein oder zwei Euro zu setzen bleibe ich treu, aber nun setze ich konsequent auf Sieg, vorzugsweise bei den Außenseitern mit guten Quoten, und sichere diese Wette mit einer Platzwette eines Favoriten ab. die 60ct bleiben der einzige Gewinn aus monetarischer Sicht. Kurz vor der Ziellinie mitzuerleben, wie das “eigene” Pferd auf den letzten Metern überholt wird ist zwar nicht die reine Freude, als Gewinn von Leidenschaft und Gemeinschaft mit den anderen “Verlierern” aber unbezahlbar. An dieser Stelle sei ausdrücklich gewarnt, dass Pferderennen nichts für Menschen mit schlechter Impulskontrolle ist. Die Versuchung nach einem verlorenen Rennen einfach beim Nächsten mehr zu setzen, ist nicht zu unterschätzen. Eingebremst wird das lediglich durch die begrenzte Anzahl an Rennen. Am besten legt man sich vorher fest, wie viel Kohle einem der Spaß wert ist. Aber trotz meiner Verluste bin ich begeistert, von der Atmosphäre, der schönen Anlage und den wundervollen Tieren mit ihren farbenfroh gewandeten Reitern, von dem uralten Ehepaar, das gemeinsam die Wettscheine ausfüllt, den ergrauten Jockeys, die am Tresen fachsimpeln, den schönen Hüten und der Glühwein war auch ganz lecker.

Die Zielrichter

Die Zielrichter

Fazit: Definitiv ein lohnender Ausflug zu einer echter Berliner Institution, mit schönem Volksfest-Charakter. Zu erreichen ist die Rennbahn in nicht einmal 30 Minuten ab Alexanderplatz (S 5). Die nächsten Renntage sind der 14. Mai, der 24. Mai, sowie zwei Abendrennen am 01. und 15. Juni. Mehr Infos zur Rennbahn und seiner Geschichte findet Ihr z.B. bei der Wikipedia

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