Berlin-Hanoi via Marzahn: das Dong Xuan Center in Lichtenberg
Während uns Teil 1 unseres Marzahn-Ausflugs zur neuen Heimstätte einiger Tacheles-Künstler geführt hat, zeigen wir Euch heute eines der Highlights unserer Tour “Osten Ungeschminkt“: Das Dong Xuan Center in Lichtenberg. Der Name bedeutet auf viet schlicht “Blumenwiese” (Ohne Gewähr, habe das selbst nur aus dem Netz!).
Das Dong Xuan Center auf dem Gelände des in den 90ern stillgelegten VEB Elektrokohle (was immer das sein mag) ist ein kleines Stück Vietnam in Berlin, umgeben von sehr breiten Straßen, Industrieruinen und ganz allgemein dem Gefühl, dass hier irgendwie der Hund begraben liegt – zumindest für Menschen deren normaler Aktionsradius etwa auf Höhe des S-Bahn-Rings endet, peinlich ich weiß.
Ein Stück Vietnam in Berlin – Das Dong Xuan Center in LichtenbergSechs große blaue und sehr zweckmäßige Wellblech-Hallen beherbergen so ziemlich alles was man an Kitsch und Küchenkram brauchen könnte. Hier decken sich Vietnamesische Restaurant- und Ladenbetreiber aus halb Nord-Deutschland mit Ware ein. Ein paar neugierige West-Europäer stiefeln auch über das Gelände, aber die Asiaten sind klar in der Mehrheit und die meisten Zettel und Schilder sind für uns ebenfalls nicht zu lesen. Eine Ausnahme bilden neben den Speisekarten der Restaurants (dazu später mehr), die Aufforderungen auf keinen Fall zu fotografieren – an die wir uns natürlich nicht gehalten haben – und der Hinweis “Nur Großhandel”. In vielen Läden kann man allerdings trotzdem auch einzelne Stücke kaufen
Dass es in Berlin überhaupt so viele Vietnamesen gibt (ca. 20.000 leben hier und sind damit die größte asiatische Bevölkerungsgruppe) liegt letztlich auch am kalten Krieg. Im Westen waren es hauptsächlich Flüchtlinge, die Krieg oder Regime ausgewichen sind; während es im Osten in der Regel Vertragsarbeiter waren, die im Rahmen von Länder-Partnerschaften in der DDR gearbeitet haben. Mit dem Fall der Mauer standen viele dieser Familien vor der schweren Entscheidung, den Weg in die Heimat anzutreten oder sich im veränderten Deutschland eine neue Existenz aufzubauen. Et Voilá; die ersten vietnamesischen Restaurants bereicherten die Berliner Küche und Geschichten von fiesen Zigarettenhändlern die Seiten der Boulevardpresse.
Mittlerweile ist das anders, die Schmuggler sind aus dem Stadtbild verschwunden und vietnamesische Restaurants fester Bestandteil der Berliner Esskultur. Da ohnehin schon relativ viele Vietnamesen im Nordosten Berlins wohnten war die Standortwahl für den Markt nahe liegend. Das Gelände selbst ist riesig und bisher nur zu einem kleinen tatsächlich entwickelt, ansonsten viel Industrietrümmer: Türme, Rohre, halb verfallene Fabrikhallen und ein ganzer Reisebus mit Polizei, die auf eine weitere Busladung Zöllner aufgepasst haben. Zigaretten werden wohl heute nicht mehr in großem Stil geschmuggelt, aber Import-Export-Geschäfte, egal welcher Nationalität sind natürlich immer eine gute Front für Steuerhinterziehung und gefälschte Markenware. Die Polizei mochte es übrigens noch weniger fotografiert zu werden als die Händler.
Beim Betreten der Halle fällt als Erstes der Geruch auf: CHEMIE. Ziemlich überwältigend und ich könnte mir gut vorstellen, dass Menschen die hier Vollzeit arbeiten, nicht unbedingt alt werden. Zweitens fällt auf: schlechter Geschmack hat einfach keine Grenzen:
Alles extrem bunt hier, extrem aus Plastik und extrem unterhaltsam dazu wirklich ungemütliches Licht und Ladenbesitzer, die uns und unsere Kameras mißtrauisch beäugten. Noch mal aufregend wird es in den Lebensmittel-Geschäften. Man kann sich hier gut und gerne ein paar Stunden durch die Auslagen wühlen und sich dabei immer wieder schauernd fragen: Ob es wohl Leute gibt, die so was ernsthaft schön finden? Klodeckel mit dem Logo von The Expendables (gefaked), Winkekatzen und Gummitiere in allen Größen und Formen (echt), Bunte Nägel (Fake) und schlechte Tattoos (echt und fake, ganz nach Wunsch).
Einiges der angebotenen Ware haben wir tatsächlich noch nie vorher gesehen und anderes hätten wir lieber nicht gesehen, wie z.B. die toten Karpfen im Aquarium und die komischen Maden oder so. Bei Vögeln auf den Balken im Fischladen würde der durchschnittliche Ordnungsamtmitarbeiter im Normalfall direkt einen Herzinfarkt bekommen, aber bei Dong Xuan scheinen die Maßstäbe andere zu sein. Wir waren trotzdem mutig genug was zu Essen und wurden leider gnadenlos enttäuscht. Wahrscheinlich hätten wir uns wenigstens für die Hühnerfüße, den Ziegenbraten oder irgendetwas anderes zumindest ansatzweise exotisches bestellen müssen. So sind wir in den Genuß der schlechtesten Asia-Ente überhaupt gekommen – wirklich nicht zu empfehlen und Fisch werde ich in naher Zukunft wohl auch lieber beim Italiener essen. Da siehts wahrscheinlich genau so aus, aber was man nicht weiß…..
Viel Spaß mit den restlichen Bildern und den kurzen Texten dazu.
Ride Safe!