ADFC Sternfahrt Berlin 2017
Avus-Radtour
Insgesamt erfreut sich der ADFC bei uns und anderen Hardcore-Radlern nur mäßiger Unterstützung. Das Auftreten der Kollegen ist ein wenig, wie soll ich es sagen, verschlafen? Bieder? Oldschool? Jedenfalls ist zumindest der Landesverband Berlin weit entfernt von dem Velo-Lifestyle, der für viele Berliner mittlerweile zum eigenen Selbstverständnis gehört. Mit Mountainbikern können die Damen und Herren selbst auf Anfrage genauso wenig anfangen wie mit kreativen Social-Media-Aktionen. Völliges Unverständnis herrschte bei Vielen dann im letzten Jahr angesichts der Tatsache, dass man sich tatsächlich GEGEN den Entwurf des Radgesetzes ausgesprochen hat. Wie bitte? Nach Jahrzehnten tut sich endlich was, Radfahrer werden als Wahlvolk ernst genommen und die Leute, die eigentlich die Interessen der Berliner Radfahrer vertreten sollen, machen nicht mit? Übrigens ganz im Gegensatz zu vielen anderen Landesverbänden. Irgendwie wirkt es so, als sei man beim ADFC ganz zufrieden sich um die Fluss-Reise-Radler zu kümmern und ansonsten bloß nicht anzuecken.
AAAABER und das ist wirklich ein Riesen-Aber, seit sage und schreibe 40 Jahren organisiert der ADFC mit der Sternfahrt das wahrscheinlich größte Fahrrad-Event der Welt. Auf verschiedenen Routen steuern bis zu 100.000 Radler den großen Stern und das Brandenburger Tor an. Im Jubiläumsjahr wurden dafür insgesamt fast 1.000 km Straßen – und Autobahnen – gesperrt. Die längste Anreise hatte dabei eine Gruppe, die am Vorabend in Stettin gestartet ist, um gegen 14 Uhr anzukommen. An einem Tag im Jahr also sorgt der ADFC für flächendeckende Vorfahrt für uns Radfahrer und setzt damit ein nicht zu übersehendes Signal, dass wir ernst zu nehmen sind. Ganz abgesehen davon macht das Ganze einen Heidenspaß, selbst wenn man mit der vorhanden Infrastruktur für Radfahrer ganz zufrieden ist.
Wir entscheiden uns diesmal für die Südroute über Steglitz, Zehlendorf und die Avus. Geplanter Start war um viertel nach 10 am Bundesplatz, was wegen eines fahrlässig leisen Weckers leider nicht klappt. In dem Glauben, die Route zu kennen treten wir also wie von Sinnen in die Pedale und hoffen den Tross irgendwo zwischen Rathaus Steglitz und Zehlendorf wieder einzuholen. Leider hat die Route in unseren Köpfen nur wenig mit der tatsächlichen zu tun, was uns dann doch noch einen in Ruhe zu trinkenden Kaffee am S-Bahnhof Zehlendorf beschert.
Um kurz vor 12 h beginnt die Polizei abzusperren und die Spitze des Teilnehmerfelds wartet geduldig an der Kreuzung bis die Gruppe wieder komplett ist. In zunächst gemächlichen Tempo geht es dann teils auf Hauptstraßen teils durchs Villenviertel weiter Richtung Süden und Autobahn. An der Auffahrt heißt es erst einmal wieder warten. Zum einen wird auch hier gewartet, bis die Teilnehmer aller Strecken versammelt sind, zum Anderen ist die Auffahrt relativ schmal, so dass es insgesamt fast 45 Minuten dauert bis wir tatsächlich auf die Avus können. In Neukölln bei der Auffahrt Grenzallee hat es sogar noch länger gedauert, fast zwei Stunden mussten die Leute bei nahezu 30° im Schatten aushalten – ohne Schatten.
Für all das entschädigt aber der Moment, wo wir endlich auf der Autobahn sind, das Feld sich entzerrt und wir knapp 10 km des besten vollstellbaren Radwegs vor uns haben. Fast 30 m breit ist die Straße hier und der Belag so frisch und glatt, dass man sich auf einer Rennstrecke wähnt. Irgendwann taucht die Silhouette des Funkturms und des ICC am Horizont auf und wir passieren die verfallenden Tribünen, auf denen einst Tausende der Faszination brüllender Motoren erlegen sind. Aus Radfahrersicht ein schönes und symbolträchtiges Bild. Zwischen den Rängen der Rennstrecke sprießt das Moos und auf der Straße selbst sausen tausende glückliche Menschen mit einem dicken Grinsen im Gesicht ganz geräuschlos über den Asphalt.
Ohne weitere Halts und Verzögerungen geht es durch Charlottenburg und Wilmersdorf zur Straße des 17. Juni. Wir drehen noch eine Ehrenrunde um den großen Stern und freuen uns aufs nächste Jahr. DANKE lieber ADFC! Selbst wenn Ihr sonst nichts tätet, allein wegen der Sternfahrt gehört ihr unterstützt und wer weiß, vielleicht sorgt der Volksentscheid ja auch bei Euch mittelfristig für ein bisschen mehr Beweglichkeit.
[Disclaimer] Die in diesem Text vertretene Meinung stellt die persönliche Meinung des Autors da und entspricht nicht dem offiziellen Standpunkt des Unternehmens Berlin on Bike und seiner Vertreter. Autor: Sascha Möllering