Besuch im Futurium – Wie wollen wir leben?
Das Futurium – Wie wollen wir leben?
Aufmerksame Leser des Blogs wissen, dass wir bereits einmal vor Ausstellungseröffnung einen Blick in das Futurium geworfen haben. Den Bericht und vor allem die Fotos vom beeindruckenden Gebäude findet ihr ebenfalls in unserem Blog. Jetzt haben wir dem Haus den überfälligen zweiten Besuch abgestattet und uns die Ausstellung angesehen.
Im Futurium soll es um nichts weniger als die Frage gehen, wie wir in Zukunft leben wollen. Der Hauptausstellungsraum im Obergeschoss empfängt uns mit weiteren Fragen, die in leuchtenden Buchstaben auf gekrümmten Displays auftauchen: Wann verliebt sich mein Smartphone in mich? Muss ich in Zukunft noch arbeiten? Wie sieht das Glück von morgen aus? Die Ausstellung ist in 3 große Bereiche Natur, Mensch und Technik gegliedert, die unsere Zukunft bestimmen. Wir starten mit dem Bereich Technik. Vorher legen wir noch Armbänder an, mit denen wir in der Ausstellung über bestimmte Themen abstimmen können. Das Prozedere kenne ich schon aus der Ausstellung “Berlin Global” im Humboldt-Forum, charmant ist allerdings, dass uns das Ganze hier nicht von einem Mensch sondern von einem Roboter erklärt wird.
Technik – Technologien für den Menschen
Im ersten Bereich zum Thema Gentechnik tauchen wir sofort ein und bekommen einen Eindruck davon, wie hier Wissen vermittelt wird. Zuerst bekommen wir unseren genetischen Code zugelost, den wir auf unserem Armband abspeichern. Dann steuern wir mit Hilfe von Gesten einen digitalen Assistenten, der in unserem Code das vererbbare Hatschi-Syndrom feststellt (Symptom u. a. unkontrolliertes Niesen) und uns verschiedene Therapieoptionen vorschlägt. Es dauert etwas bis die Steuerung funktioniert, aber hier bekommen wir sehr anschaulich einen Einblick, wie Gesundheitsversorgung in der Zukunft weiter durch Technologien revolutioniert werden kann. Und Spaß macht das natürlich auch. Hier wie auch an anderen Stellen in der Ausstellung darf ich entscheiden, wie viel Einfluss ich der Technik geben will. Vertraue ich den Maschinen vollkommen oder soll Technologie den Menschen nur bei seiner Entscheidung unterstützen?
Besonders anschaulich geht es auch im Bereich zum Thema Daten zu. Wir nehmen uns am Anfang ein Tablet, das wir vor verschiedene Modelle halten können. Beim Stadtmodell sehen wir mit Hilfe von Augmented Reality unterschiedliche “Katastrophenszenarien” wie z. B. einen Unfall oder ein Unwetter und müssen anhand der bereit gestellten Daten entscheiden, welche Lösung wir einleiten. Meine Auflösung einer Demo war wie ich schnell merke zu radikal. Solche sogenannten Smart-City-Ansätze werden bereits in einigen Städten umgesetzt, mehr dazu hier. An der U-Bahn-Haltestelle stellt mein virtueller Assistent, nicht nur fest, dass ich urlaubsreif bin. Anhand von künstlicher Intelligenz plant und bucht er auch noch meinen perfekten Urlaub. Praktisch aber auch ein wenig unheimlich. Die Risiken des Datensammelns verschweigt die Ausstellung nicht, allerdings auch nicht die zahlreichen Vorteile, die die Auswertung von Daten mit sich bringt.
Weiter geht’s mit aktuellen Entwicklungen aus der Robotik und zum Thema Mobilität. Schön finden wir hier, dass die Frage, wie wir in Zukunft umweltfreundlich von A nach B kommen, wesentlich mehr Raum einnimmt als der Urlaubstrip zum Mond. Und wir fragen uns, warum die Lösung von alltäglichen Transportproblemen noch nicht genauso enthusiastisch von Multi-Milliardären angegangen wird wie die kommerzielle Raumfahrt.
Mensch – Zusammen Zukunft gestalten
Im Denkraum “Mensch” bewegen wir uns durch mehrere kleinere Räume. Hier geht es darum, wie wir in Zukunft arbeiten, konsumieren und produzieren wollen. Viele Menschen wissen mittlerweile, dass unser gewohntes “Immer mehr” an Konsum unseren Planeten zerstört. Jeder Deutsche stößt pro Jahr 9,9 Tonnen CO2 aus. Doch wo sollen wir anfangen? Ganz praktisch führt uns das die Ausstellung bei einer Befragung vor Augen, bei dir wir entscheiden, auf welche Konsumgüter wir verzichten können – Flugreisen in ferne Länder, der Wegwerf-Kaffeebecher oder die Klamotten, die sich in unserem Kleiderschrank türmen.
Beim Blick in den sprechenden Kühlschrank kriegen wir erstmal einen Schreck – “Tür zu” und “Licht aus” blökt uns entgegen. Die Lebensmittel erzählen uns von ihrer Herkunft und ihrer Auswirkung auf Umwelt und Mensch. Gleich daneben können wir ausprobieren, wie wir gemeinsam ein Feld bestellen. Wir sehen Beispiele, wie Landwirtschaft in der Stadt funktioniert und mein Kollege Sascha träumt davon, dass irgendwann auf jedem Berliner Dach ein Garten gepflegt wird. Das selber machen hört hier aber nicht auf, die Ausstellung zeigt Initiativen, die mit moderner Technik wie 3D-Druckern und alten Handwerkstechniken, eine nachhaltigere Produktion vor Ort anstreben, mit offenen Werkstätten, Makerspaces und RepairCafés. Die Ausstellung zeigt aber auch Pilotprojekte, bei denen Bürger*innen ihren eigenen Strom erzeugen und mit anderen teilen oder ihre eigenen Häuser verwalten.
Natur neu Denken
Der Denkraum Natur sieht besonders spektakulär aus. Die Ausstellungsfläche wird von einem riesigen Kunstwerk aus Holz dominiert. Die Skulptur ist von natürlichen Organismen inspiriert und nennt sich “Neo Natur”. Drumherum erfahren wir mehr über Technologien, die sich ebenso von der Natur inspirieren lassen. Aber auch mit nachwachsenden Rohstoffen, die biologisch abbaubar sind, beschäftigt sich die Ausstellung, mit dabei sind z. B. Flip Flops aus Algen oder Kunststoffe aus Orangenschalen. Von nachwachsenden Rohstoffen wie Bambus haben vielleicht einige schon mal gehört, aber kennt ihr auch Baumaterialien, die u. a. aus dem Myzel, d. h. den Wurzeln, von Pilzen bestehen? Diese könnten in Zukunft einen Teil von natürlichen Baustoffen bilden, die biologisch abbaubar sind.
Hier wird erklärt, wie Kreislaufwirtschaft funktioniert, bei der möglichst alle Teile eines Produkts wieder verwertet werden. Aber auch das Thema Ernährung findet hier seinen Platz, wie kann Indoor Farming dazu beitragen, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und werden wir uns in Zukunft von Heuschrecken und anderen Insekten ernähren. Der “Stadtdschungel” versucht das Aussehen unserer Städte neu zu denken und zeigt, wie wir die Natur in unsere Städte zurückholen können. In einigen Städten wie z. B. in Singapur, wo das Begrünen von Gebäuden seit 2008 Pflicht ist, können wir bereits sehen, wie viel lebenswerter Städte dadurch werden.
Von diesem Raum aus, der direkt hinter der Glasfassade des Futuriums liegt, können wir direkt auf das Kanzleramt und Regierungsviertel blicken. Also dahin wo unsere Zukunft ganz erheblich mitbestimmt wird. Das Futurium will seine Besucher aber ganz offensichtlich auch dazu bringen darüber nachzudenken, wie sie selbst ihre Zukunft mitgestalten können. Zum Selber Machen und Ausprobieren gibt es dafür das Futurium Lab im Untergeschoss.
Futurium Lab – Zukunft zum Mitmachen
Hier können die Besucher*innen Technologien wie z. B. 3D-Drucker und Lasercutter ausprobieren und in Veranstaltungen an Ideen tüfteln. Mit einem einfachen Bausatz kannst du dein Fahrrad zum SensorBike machen, das beim Radfahren Umweltdaten wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Feinstaubbelastung aber auch Verkehrsdaten misst. Am Future Mobility Simulator bauen wir die Stadt der Zukunft und sehen direkt, wie sich unsere Baumaßnahmen auf Co2- oder Lärmbelastung auswirken. Faszinierend und wunderschön ist die Skulptur “Noosphere” des Künsters Philip Beesley, die fast wie ein Lebewesen wirkt und mit Tönen, Vibrationen und Licht auf die Bewegungen der Besucher*innen reagiert. Dem Kunstwerk wird ein Foto nicht gerecht, darum hier noch ein kurzes Video der Skulptur für einen kleinen Eindruck. Wir könnten hier sicher noch viel länger herumspielen, wenn wir nach den ganzen Eindrücken noch Energie übrig hätten. Zum Schluss statten wir noch dem Museumsshop einen kurzen Besuch ab, in dem es wunderbar nerdige Dinge rund um Technik, Design und Nachhaltigkeit zu kaufen gibt.
Unser Fazit: Passend zum Thema ist das Futurium in seiner Gestaltung konsequent modern und lädt zum Mitmachen ein. Das hier vermittelte Bild der Zukunft ist positiv und will Lust auf Veränderungen machen. Es gibt sicherlich Kritiker, die mokieren, dass das Museum Probleme wie die zunehmende Umweltzerstörung nicht drastisch genug darstellt, uns gefällt der unerschrockene Blick auf die Zukunft allerdings. Hier werden mögliche “Zukünfte” erlebbar und so präsentiert, dass man sie auch verstehen kann. Das Haus wird vom Ministerium für Bildung und Forschung, verschiedenen Forschungseinrichtungen und forschenden Unternehmen finanziert, von Einmischungen haben wir zumindest an den Inhalten nichts bemerkt. Kleiner Kritikpunkt: die Steuerung mancher Mitmach-Elemente funktioniert nicht immer sofort und wir haben nicht gesehen, wie man sich die Inhalte, die man sich gemerkt hat, “mitnehmen” kann. Zuletzt aber noch ein riesiger Pluspunkt des Hauses, der Eintritt ist frei. Wir hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt, denn dies war sicher nicht unser letzter Besuch.
Von außen könnt Ihr Euch das tolle Gebäude auch auf unserer Berlin Radtour “Berlin im Überblick” anschauen.
Infos Futurium
Alexanderufer 2, 10117 Berlin
Mo, Mi, Fr, Sa, So 10:00 – 18:00 Uhr
Do 10:00 – 20:00 Uhr
Di geschlossen
Eintritt frei
Fotos: Die meisten Fotos stammen von ehemaligen Autor dieses Blogs Sascha Möllering, den Ihr mittlerweile auf seinem eigenen Blog “Until I get scared” findet.