Computerspielemuseum Berlin
Site Inspection im Gamer Paradies – Computerspielemuseum Berlin
Ich gehöre ja tatsächlich noch zu der Generation, für die Computer an sich etwas Neues und Faszinierendes waren. Selbstverständlich hab ich meine Eltern gnadenlos bequatscht, bis sie mir endlich das Gerät ins Kinderzimmer stellten, das man 1984 unbedingt haben musste. Und so zierte dann ein fleischfarbener Brotkasten aus Plastik mein Reich, drauf stand C64 und ich war unendlich stolz. Noch stolzer war ich, weil ich die Edelvariante mit Diskette ergattern konnte und nicht wie meine Freunde die Spiele mit den Datasetten mittels Bleistift zurückspulen musste. Seitdem hat mich das Thema Computerspiele mal mehr mal weniger intensiv begleitet, vom Atari ST, diversen Konsolen über meinen ersten Job als Einweiser im Virtuality Café mit Meisterschaften im Dinosaurier abknallen bis hin zu tagelangen Counter-Strike-Sessions während des Studiums. Naturgemäß lässt das irgendwann nach und mittlerweile freue ich mich, alle Jubeljahre mal einen Controller in die Hand zu nehmen, um nach spätestens einer halben Stunde auch wieder genug zu haben. Aber ein Besuch des Computerspielemuseums in Berlin Friedrichshain, stand trotzdem schon lange auf dem Programm; und um es gleich vorwegzunehmen: ich hätte da viel früher hin gemusst, ein toller Ort für einen unterhaltsamen Nachmittag mit durchweg sympathischem Personal, und das Ganze ist mit 8,00 € Eintritt auch noch relativ günstig.
Video Computerspielemuseum
Computerspiele sind mittlerweile eine milliardenschwere Industrie, die sich anschickt, Hollywood als maßgebliche Größe im Unterhaltungssektor abzulösen. Zumindest aus heutiger Sicht ist also ein Museum, dass sich dem Thema widmet ziemlich naheliegend. Als das Berliner Haus im Jahr 1997 seine Pforten öffnete, war die Situation jedoch eine andere; Spieler waren irgendwie die sozial unbeholfenen Nerds, die man regelmäßig daran erinnern musste, dass man auch andere Dinge als Fertigpizza essen kann und dass Tageslicht nicht per se ungesund ist. Ernstgenommen hat man das Medium im Mainstream eigentlich wirklich sehr selten – weder als Kunst- noch als Kommunikationsplattform. Insofern ist der Schritt durchaus mutig zu nennen, zumal man sich – und das unterscheidet das Computerspielemuseum von vielen anderen modernen, privaten Museen – von Anfang einen hohen wissenschaftlichen Anspruch auf die Fahnen geschrieben hat.
Natürlich kann man sich im Computerspielemuseum wunderbar einfach durch 50 Jahre digitale Spielgeschichte zocken, aber man kann auch tief eintauchen in die Idee des Homo ludens – des spielenden Menschen. Es geht dabei laut Johann Huizinga um nicht weniger als den Ursprung der menschlichen Kultur im Spiel. Aber wir wollen das hier auch nicht zu sehr ausufern lassen. Tatsache ist jedenfalls, dass sich das Haus genau so viel Mühe beim sozio-kulturellen Überbau macht wie bei der Präsentation der Exponate in aufwendigen Installationen.
Den Eingangsbereich dominieren mehrere überlebensgroße Figuren, u. a. von Lara Croft, die uns den Weg in die eigentlichen Ausstellungsräume weisen. Zwei getrennte “Wall of Fame”s präsentieren jeweils 50 Meilensteine aus den Bereichen Hard- und Software. Dem Ursprung allen elektronischen Home-Entertainment; Pong ist dabei sogar ein extra Bereich gewidmet. Die Installation “Pain Pong” etwa lässt die Grenzen zwischen Spiel, Kunst und Masochismus verschwimmen. Die Spieler umfassen mit der linken Hand einen Sensor, der bei Fehlern Hitze erzeugt, Stromstöße verteilt oder die Finger mit einem Peitschenhieb malträtiert – und wer loslässt hat verloren.
Betrachtet man manche dieser alten Spiel, ist es erstaunlich wie wenig diese von Ihrem Charme verloren haben, wohingegen andere Systeme zwar echte Design-Highlights waren, die Steuerung aber dabei so kompliziert war, dass niemand sie verstanden hat. Die Frage nach der idealen Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Während es früher völlig selbstverständlich war, Spiele ausschließlich mit Joysticks und Knöpfen zu steuern, gibt es heute eine Vielzahl digitaler Eingabegeräte, von der Gestensteuerung der Nintendo wii, über Gitarren, Sensormatten für Tanzspiele oder auch das Rennspiel, dessen Fahrzeuge sich nur bewegen wenn der Spieler fleißig in die Pedalen eines Trimm-Dich-Rades tritt.
Am schönsten fanden wir allerdings die rekonstruierte Spielothek, inklusive rotem Schummerlicht und sich träge drehendem Ventilator – bloß dieser typische Geruch lässt sich wohl nicht wiederherstellen. Direkt daneben findet sich eine Reihe nachgestellter Wohn- und Jugendzimmerecken. Beim Blick in das 70er Jahre Wohnzimmer wird mir auch schlagartig klar, wieso die ersten Spiele und Konsolen fast alle mit Holzdekor beklebt waren – alles andere hätte damals einfach wie ein Fremdkörper gewirkt.
Die in Berlin unverzichtbare Ost-Ecke gibt es natürlich auch. Ähnlich wie beim Hot-Dog, der in der DDR Kettwurst hieß, sind hier erfolgreiche Westspiele nachgebaut und einfach mit einem neuen Namen versehen worden. Einen kurzen aber intensiven Moment der Sehnsucht durchlebe ich noch beim Anblick eines der Virtual Reality Systeme ,mit denen wir damals dachten, die Welt der Computer zu revolutionieren. Leider war das Gerät aktuell außer Betrieb und ich werde wohl noch eine Weile auf meine nächste Partie Dactyl Nightmare warten müssen.
Auch wenn ich hier noch stundenlang weitermachen und Euch jedes Ausstellungsstück einzeln vorstellen könnte, empfehle ich Euch einfach: geht hin, tobt Euch aus, macht Euch eine gute Zeit und wer weiß, vielleicht kommt Euch ja dabei die bahnbrechende Idee für das nächste große Gaming-Ding.
Infos Computerspielemuseum
Karl-Marx-Allee 93 a
10243 Berlin (U-Bahn Weberwiese)
Geöffnet täglich von 10:00 bis 20:00 Uhr
Eintritt: 9,00 €; ermäßigt 6,00 € (ab 18:00: 7,00 € bzw. 5,00 €)
Familientickets 19,00 €
Telefon Besucherservice: +49 30 6098 8577
Öffentliche Führungen finden ab Januar 2018 jeweils Samstag (deutsch) und Sonntag (englisch) um 12:30 Uhr statt.
Für Schulklassen gibt es noch mal reduzierte Preise.