Der Bunkerberg im Friedrichshain
Mut zur Kettensäge (oder)
Der heilige Bergwald
Es könnte so schön sein. Liebespaare genießen den Sonnenuntergang und den weiten Blick über die Stadt. Berliner und Besucher versuchen Hochhäuser, Kuppeln und Industrieschornsteine zuzuordnen, Jogger verschnaufen nach der Bergetappe vor dem Panorama der Metropole.
Wie ein Vulkankegel erhebt sich der Große Bunkerberg im Volkspark Friedrichshain: 78 Meter über Meereshöhe und immerhin noch 48 Meter über Spreeniveau. Ganz oben eine kreisrunde Aussichtsplattform. Sie ist eingefasst von einem Steinmäuerchen, beschriftet mit den Stadtteilen und Gebäuden, die in der jeweiligen Richtung zu sehen sind.
Nur – man sieht fast nichts.
Bis vor 80 Jahren war der Volkspark Friedrichshain brettflach. Dann errichteten die Nazis zwei Flak-Hochbunker. Nach dem Krieg wurden die unsprengbaren Betonmonster mit Trümmern und Erdreich zugeschüttet und der so frischegebackene Berliner Berg bepflanzt.
Anfangs muss der Blick wirklich traumhaft gewesen sein. Doch über die Jahre wurde die Vegetation dichter und höher und heute ist die Aussichtsplattform von üppig wucherndem Bergwald umgeben.
Nur einige ganz schmale Schneisen geben den Blick auf Mini-Ausschnitte des Panoramas frei.
Der Große Bunkerberg ist kein Einzelfall. Auch der benachbarte „Kleine Bunkerberg“ – völlig zugewachsen. Und im Volkspark Prenzlauer Berg, der gefühlt eher in Lichtenberg oder Hohenschönhausen liegt, gibt es zwei Aussichtsplateaus. Die Aussicht aber ist durch sattes Grün verstellt, abgesehen von der Rodelbahn-Schneise Richtung Sportforum im Osten.
Auch der Weg auf den Teufelsberg im Westen lohnt nicht wirklich. Der endlos scheinende Rundweg um die ehemalige US-Radarstation gibt keinen Blick über die Stadt frei. Dafür muss man wieder ein ganzes Stück absteigen und auf den niedrigeren Drachenberg, der von den West-Berliner fälschlich immer als Teufelsberg bezeichnet wurde.
Klar, in einer Millionenmetropole wie Berlin sind Bäume heilig. Wir brauchen sie fürs Mikroklima und zur Sauerstoffproduktion. Aber Aussichtspunkte sind gut für die Seele und stiften Identität und Verbundenheit mit der Stadt.
Es sind jeweils ein paar Dutzend Bäume, die dem freien Rundblick im Weg sind. Etwas Mut zur Kettensäge täte hier gut. Und Friedrichshain und Prenzlauer Berg hätten eine Attraktion mehr, Corona-tauglich im Freien und gratis zu besteigen.
Wer einen Eindruck vom Panoramablick haben möchte, sollte sich jetzt in den Wintermonaten auf den Weg machen, wenn die Bäume kahl sind.
Wir besuchen den Volkspark Friedrichshain auf unserer Radtour “Kreuzberg & Spreeufer“. Und wenn sich der Aufstieg lohnt, radeln wir bestimmt auch häufiger auf den Großen Bunkerberg. Wo man in Berlin tolle Aussichten genießen und dies mit einer Radtour verbinden kann, erfahrt Ihr in unserem Blog-Beitrag “Berlin von oben“.