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Probefahrt mit Olli, Berlins 1. autonomem Bus

a bus that is parked on the side of a road

Roboter-Shuttle auf dem Euref-Campus

Insgesamt hängen Berlin und Deutschland in Sachen Elektromobilität ordentlich hinterher. Schlimmer sieht es eigentlich nur noch beim Thema autonome Fahrzeuge aus. Hier hakt es im Land der Ingenieure nicht nur an Know-How sondern auch an gesetzlichen Rahmenbedingungen. Derzeit ist es extrem schwer überhaupt eine Genehmigung für den Betrieb derartiger Fahrzeuge auf Straßenland zu bekommen. Mittlerweile ist zwar ein weiterer Test auf der Straße des 17. Juni angekündigt, aber da ist noch nichts in trockenen Tüchern. Einstweilen also ist der knuddelige Microbus Olli, der von der Firma Local Motors in Treptow montiert wird, das einzige Fahrzeug in Berlin, das sich selber steuert.

Nachdem der erste Presse-Andrang in Schöneberg abgeebbt war, machten wir uns im vergangenen Winter auf den Weg zum Euref-Campus (auf dem sich eine ganze Reihe Unternehmen aus dem Energie- und Verkehrssektor angesiedelt haben), um Olli kennen zu lernen. Weil Bilder mehr als Worte sagen, haben wir Euch ein kleines Video mitgebracht.

Wir kommen gleich noch zu ein paar Hintergründen bzw. technischen Details, aber zunächst meine persönlichen Eindrücke. Als Jemand der regelmäßig Medien wie Wired oder Momentum liest, muss ich gestehen etwas enttäuscht zu sein. Nachdem in den vergangenen Jahren Fahrzeuge von Google, Mercedes oder Tesla bereits mehrere Millionen Kilometer unfallfrei auf regulären Straßen zurückgelegt haben, wirkt Olli erst einmal wie ein Rückschritt. Wer die Videos kennt, in denen ein Mercedes auf amerikanischen Highways bei 65 Meilen/Stunde die Spur wechselt, weiß sicher was ich meine. Ja, Olli ist wirklich niedlich und es gib ein paar mildernde Umstände, auf die ich später noch eingehe, aber so richtige Begeisterung wollte bei mir nicht aufkommen. Das hat man nun von der ganzen Sci-Fi-Leserei, die Gegenwart wird unweigerlich etwas fad. Natürlich ist es richtig (und vorgeschrieben), dass ein menschlicher Fahrer dabei ist, um notfalls eingreifen zu können. Dadurch dass die Fahrerin hier aber im Prinzip genau da stand, wo auch ein aktiver Fahrer sich aufhalten würde, kommt einfach das Gefühl hier wirklich von einer Software kutschiert zu werden nicht auf.

Ein großer Unterschied zu den Fahrzeugen aus dem Silicon Valley, der Olli auf absehbare Zeit einschränken wird, ist die Art und Weise, wie Olli navigiert. Grundsätzlich sind alle autonomen Fahrzeuge auf ein möglichst vollständiges Bild der Wirklichkeit angewiesen. Straßen und Schilder sollten möglichst genau vermessen sein. Zusätzlich wird die Umgebung von diversen Kameras und Sensoren (Radar, Lidar) erfasst. Um den Fahrzeugen jedoch beizubringen, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten sollen, setzt Local Motors jedoch auf ein anderes Konzept. Während die kalifornischen Hightech-Unternehmen fast ausschließlich auf Deep-Learning-Strategien für künstliche Intelligenz setzen, muss Olli im Grunde genommen wirklich für jeden Einzelfall programmiert werden. Beim Deep-Learning hingegen werden alle möglichen Situationen immer wieder simuliert und der Steuerungssoftware erwünschte Ergebnisse vorgegeben. Wie diese Software dann im Endeffekt Entscheidungen trifft, ist selbst für die Erbauer/Programmierer gar nicht mehr nachvollziehbar. Das ist natürlich unendlich anspruchsvoll, zeitaufwendig und kostenintensiv. Allerdings steht am Ende ein System, dass man im Grunde genommen überall aussetzen kann und das sich aufgrund des “Gelernten” zurecht finden wird. Olli hingegen erkennt zwar Hindernisse, aber keine Richtungsvektoren, d. h. das System sieht einen Gegenstand sieht aber nicht, ob sich dieser bewegt oder was es überhaupt ist. So kann es schon mal sein, dass eine Plastiktüte, die 12m weiter kurz über die Straße weht zur Vollbremsung führt.

self-driving-car-berlin-olli-local-motors

Andererseits versteht sich Olli eben als einen kleinen Baustein für ein ganz bestimmtes Transport-Segment. Neben großen Firmengeländen, werden Flughäfen, Universitäten und Messen zu den ersten Anwendungsbereichen zählen. Im nächsten Schritt könnte man feste Routen im Verkehr in Angriff nehmen, z. B. als Shuttle vom Bahnhof zur Uni. Alles Orte also mit relativ statischem Umfeld und möglichst wenig Individualverkehr. Dafür, und das macht das Projekt wirklich spannend, besteht Olli weitestgehend aus Standardkomponenten, die sich heute schon relativ kostengünstig einkaufen lassen. Die Karosserie entsteht zum großen Teil im 3D-Drucker, was die Kosten weiter senkt. So könnte das Konzept von Local Motors gerade für kleinere Kommunen interessant sein, für die ein regulärer Busbetrieb kaum zu finanzieren ist.

Das hört sich alles etwas kritischer an, als es gemeint ist. Ehrlich gesagt kann ich es kaum abwarten, bis möglichst viele menschliche Fahrer in Berlin durch Roboter ersetzt werden, ich kann mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Olli seine Aggressionen an anderen Verkehrsteilnehmern auslässt. Jeder, der auf dem Rad schon mal Opfer eines “erzieherischen” Überholvorgangs geworden ist, bei dem einem der Seitenspiegel den Oberschenkel streichelt, wird mir da sicher zustimmen. Dass das Ganze elektrisch, also emissions- und lärmfrei, umgesetzt wird, versteht sich eigentlich von selbst, soll aber nicht unerwähnt bleiben.

Da ich selbst weder Ingenieur noch Programmierer bin, hat sich bestimmt der ein oder andere Fehler in diesen Text geschlichen. Ich bitte Euch um Nachsicht und freue mich, von mitlesenden Fachleuten korrigiert zu werden.

Ride Safe – und autonom!

Sasch